Für die nächste Einsatzstelle wurde nachmittags ein Team zusammengestellt, das aus den OVs Altena, Balve, Halver, Lüdenscheid und Unna bestand und vom Halveraner Zugführer Matthias Oelke geführt wurde. Die übrigen Einheiten des THW-Kontingents übernahmen die Einsatzstelle „Jerichow II“.
Nördlich von Jerichow, kurz vor Fischbeck und schon im Landkreis Stendal, waren am Deich erste Anzeichen einer Durchspülung erkennbar. Während etwas Sickerwasser ganz normal ist, stellen kleine sprudelnde Quellen am Deichfuß eine Gefahr dar. Sie entstehen oft durch Mäusegänge und sprudeln zunächst klares Wasser. Wird das Wasser trüb, spricht man von qualmenden Quellen, es wird dann also bereits Deichmaterial ausgewaschen. Hieraus kann bald eine akute Deichbruchgefahr hervorgehen.
Der örtliche Deichgraf kennzeichnete solche Stellen und wies die nötigen Maßnahmen an. Das probate Mittel sind sogenannte Qualmpolder, auch Quellkaden genannt, aus Sandsäcken aufgeschichtete Becken, in denen sich das Wasser anstauen und so einen Gegendruck bilden kann.
Aufgrund der realistischen Gefahr eines Deichbruchs ordnete ZFü Matthias Oelke an, alle Fahrzeuge in Fluchtrichtung zu parken und die Zündschlüssel stecken zu lassen.
Das normale Bett der Elbe ist von dieser Stelle des Deichs nahe Fischbeck mehr als zweieinhalb Kilometer entfernt. Hier stand das Elbwasser außendeichs wenige Dezimeter unterhalb der Deichkrone, das Land binnendeichs lag hier etwa acht Meter tiefer als der Elbspiegel. Zwei Quellkaden mussten hier von den THW-Kräften aus hunderten Sandsäcken angelegt werden. Eine Quelle sprudelte noch klares, die andere bereits „qualmendes“, also trübes Wasser.
Sehr heikel war es offenbar nur eineinhalb Kilometer weiter nördlich: Permanent jagten über den Köpfen unserer Baustelle die Hubschrauber der Bundeswehr und der Bundespolizei hin und her, um sogenannte Bigbags, Sandsäcke mit etwa einem Kubikmeter Fassungsvermögen, zum Deich zu bringen. – Ohne es zu ahnen war unser THW-Kontingent ganz nah an der Stelle, wo der Deich in der kommenden Nacht brechen würde – der in allen Medien am Folgetag gezeigte Deichbruch bei Fischbeck. Es war ein schwacher Trost, dass der Deich an unserer Stelle gehalten hatte, denn von nun an strömten über 1.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde ins Hinterland, wo zahlreiche Ortschaften überflutet werden. Überschwemmt war schließlich praktisch das ganze Elbe-Havel-Dreieck – ein etwa 40 Kilometer langer Landstrich.